
Dem Feind zum Trozt
schau Kenan
mein Freund
neue gute Nachrichten
trafen ein
aus unserer Gegend
strahlend überall
farbenfroh die Blumen
voller Begeisterung sind
die Käfer und die Vögel
wozu denn dann noch Besorgnis
unsere Welt ist Schwanger
von schöne Tage
leg die Flasche Raki
in eine Ecke im Eisschrank
Schafskäse
und eine Honigmelone dazu
vergiß ja nicht
auf “Aşıklar Tepesi” am Bosporus
werden wir uns einen Rausch
antrinken
bis wir sternhagelvoll sind
dem Feind zum Trotz
Erol Yıldırım
aus " den Frieden Umarmen "
Die Folterer
Eine unglückliche Nacht:
Der Himmel leuchtet immer wieder
auf,
sehr bald kommt draußen der
Regen..
Bevor er die letzte Zigarette
anzündet,
muß er die letzten Zeilen schreiben
ohne die ihn Umstechenden
anzusehen.
Bald werden die Folterer ihn wieder
wer weiß in welche Hölle
dieser Erde bringen.
Der Schlaf ist eine Wiege
in Noahs Arche.
Draußen regnet es jetzt
anders als zuvor.
Drinnen ist er
müde, sein Schreiben nicht mehr
flink.
Lauter werden die Fußschritte,
er kämmt seine Haare im
Lampenlicht
vor dem Spiegel.
Bevor sie ihn holen
trocknet er seine Tränen,
denkt zehn Jahre zürück.
Die Handschellen waren ihm näher
als
die Hände seiner Geliebten!
Mehr als die Haare seiner Frau
haben seine Lippen die
Gefängnistüren
berührt.
Er wirft sich seinen Schal um den
Hals
schnürt seine Jacke zu.
Bevor es an der Tür klopft,
bevor die Waffen zu hören sind
muß er sein Gedicht
im Namen des Friedens
beenden
und dann sein Leben verlieren.
Erol Yildirim
aus " den Frieden Umerman "
Der Ruf aus dem Dorf
Hey, Du!
Mädchen aus Istanbul,
aus der Ferne
aus dem Dorfe
wo gelbe Ährän
violette Berggipfel
Regenbögen
sich lieben.
Wo Menschen Ihre Erde vergöttern
ruf ich Dich,
Ich bin ein Dörfler
mit meinem Dorfe verwachsen
Die Sonne hat unser Fell verbrannt
die Unwissenheit
hat uns ein Amulett um den Hals
gelegt
Meine Hände sind rissig
Deine blonden Haare
kann ich nicht berühren
um sie nicht mit Blut
zu beflecken
Die Wunde meines Herzens
hat meine Augen stumm werden
lassen
Verliebt
kann ich nicht
in deine Augen sehen
sonst wird auch deine Welt dunkel
Ich habe das Blut eines Hirten
der seine Herde hütet
Wie der Hirte die Herde auf die Weide
läßt
so habe ich meine Liebe
auf das Feld gesät
Komm im Frühjahr
laß uns die Früchte der saat
gemeinsam ernten
Erol Yıldırım
aus " Tagebuch von Eylem "
Der schwarze Zug
Schwarzer
Zug
wie
schwarze
Nachrichten
Du hast mein Herz durchbohrt
Schwarzer
Zug
deine schwarzen
Volken
nimm,
nimm, bring sie
in die Ferne
Mit den schwarzen Erinnerungen
den schwarz geschriebenen
Schicksalen
den schwarzen Tagen
und dennen, die Verantwortung
für das schwarze Schicksal tragen
ist jetzt Schuluß!
Ich werde dir nicht folgen
Ich werde mich nicht dorthin sehnen
wo du gehst
Schleppe meine Seele nicht mit dir
Schwarzer Zug
wie eine schwarze Schlange
hast du mein Herz durchbohrt
hast mein Leben mitgenommen
Wen habe ich noch in der Fremde?
Nimm!
Nimm deine schwarze
Wagenkolonne
Ziehe davon!
Hey Freund!
Mit den schwarze Tagen
ist für mich jetzt Schuluß!
Erol Yıldırım
aus " Tagebuch von Eylem"
Sehnsucht
Einsam bin ich an den Meersküsten
Du bist nun in der Ferne
Mein Herz ist angefühllt mit Kummer
In mir bist allein nur du
Machmal wie eine Seemöwe
die auf dem Wasser dahintreibt…
Als ob unsere Erinnerungen
in der Meeresbrandung
aufschäumen…
Einen Augenblick klopft mein Herz
den Wellen erregt hinterher
Machmal schreit Hoffnung
aus der inneren Dunkelheit
Erol Yıldırım
aus " Tagebuch von Eylem"
Vierundzwanzig Schiffe
Einzeln
einzeln
denke ich
eins
nach dem anderen
über meine
lange Zeit zürückliegenden
Jugendjahre…
Eine Träne
in meinen Augen
In meinem Schicksal
war auch die Trennung
von dir beschlossen
wie traurig…!
Jetzt sind die Möwen auf dem Meer
weiß, wie Schnee
Auch meine Haare sind ergraut
weiß… weiß
was
macht's!
Mein einziger Freund
ist nun ein halbvolles Glas Wein
Nach - einander
nebeneinander
eins nach dem
anderen
aneinander gereihte Schiffe…
Erol Yıldırım
aus " Tagebuch von Eylem"
Verurteilt
Verschneite Wege
Es schneite
Es gab ein Unwetter
Er schleppte seine
engen Schuhe
Sein Kragen stand offen
Die Stirn blutverschmiert
von allen Seiten umgaben ihn
Gendarmen
Die in Handschellen gelegten Hände
zitterten
Wohin? fragte ich…
Eisig war seine Stimme
Er war verurteilt
Jahrelange
Folter des Lebens
hatte seinen Rücken gekrümmt
Er schleppte im Schnee seine
engen Schuhe
der Schnee umhüllte, umhüllte
seine Zehen
die aus den Löchern herausragten
Erol Yıldırım
aus " Tagebuch von Eylem "
Ihr Fortgehen
Halt
Halt
geh' nicht!
Wohin gehst du
mit deinem Gepfeife
und läßt mich so
allein?
Ich bin wie eine Fledermaus
die ihren Weg verloren hat
Schiebe mich nicht wie einen
Spielstein
auf dem Boden hin und her
In meinem dunklen Leben
bist du das einzige Licht
Wenn du nicht wärst
würde ich verrückt
Glaubst du, ich könnte leben?
Halt
Halt
geh' nicht!
Vergifte mein
Leben nicht
Erol Yıldırım
aus" Tagebuch von Eylem "
Rückkehr
Ihre Hände zitterten
“Kalt,” sagte ich
Bleich war ihr Gesicht
“Bist du krank?”
Gebeugt war ihr Rücken
“Du bist alt geworden”
Große, große Augen
gefüllt mit Tränen…
Die blonden Haare verwahrlost
Sie weinte
“Fünf Jahre ist es jetzt her”
“Wo warst du?”
“Wir sind alt geworden”
“Komm, versöhnen wir uns”
Erol Yıldırım
aus "Tagebuch von Eylem "
Die Unsterblichen
Von links
eins
zwei
drei
Von der Sonne kommen drei
schwarzbraune Männer.
Allen dreien sind die Händen
gefesselt
die Herzen gebrandmarkt
Von rechts
Eins
zwei
drei
vier
von drei Bäumen baumeln
drei
eingefettete
Seile
Von der Sonne kommen
diese drei Männer
Wegen der goldenen Haare
der Kronen auf ihren Köpfen
werden sie beschuldigt
Eins
zwei
drei
an drei Bäumen
drei eingefettete Seile
Drei schwarze Stifte
wurden zerbrochen
drei goldene Köpfe sind
unsterblich geworden.
Erol Yıldırım
aus " Tagebuch von Eylem "
Helle Tage
Wenn
eines Tages
die Sonne aufgeht
meine Kinder
sehr viele Festtage
werden wir
Hand in Hand
erleben
unsere hellen Tage
werden wir
selbst
errichten
Erol Yıldırım
aus " den Frieden Umarmen "
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Dein wilder Kummer, der Sehnsucht nach Leben wegen?
Oder trauerst du aus Sorge der Zukunft?
Kunta Kintes
Rap, rap, rap, aufziehbare Soldaten
Gewehrlauf voller Kugeln
Rap, rap, rap, marschierten sie
Die Barrikade seine Kugel, Gewehrlauf sein Herz
Großvater meiner Tochter, Kunta Kinte
Am Rücken verwundet, in den Bergen
Ausziehbare Soldaten marschierten rap, rap, rap
Meine Tochter in Istanbul geboren,
Die Großmutter nannte sie Kunta Kinte
Rap, rap, rap, marschierten die Soldaten
Kunta Kintes, die Onkel meines Sohnes
Gewehrlauf ihre Herzen, erschossen
Ein Sohn war mir geboren in Düsseldorf
Nannten ihn auch Kunta Kinte
Ausziehbare Soldaten marschierten rap, rap, rap
Meine Tochter Istanbulerin, die Enkelin eines Rebellen
Mein Sohn in Düsseldorf geboren
Seine Onkel in der Stadt, der Großvater
erschossen in den Bergen
Norden, Süden, Osten, Westen
Rap, rap, rap, die Berge sind Rebellen
Rap, rap, rap, die Städte sind Guerillas
Die Kunta Kintes seit Jahrhunderten
Schnitten selbst den Nabel ab
Erbrechen Kugeln die aufziehbaren Soldaten
Die Kunta Kintes, als Partisanen geboren, als Partisanen gestorben
Düsseldorf Juli1994
Erol Yildirim
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